In Ihrer neuen Anthologie finden sich alle Themen wieder, die Sie seit der Aufnahme ihrer schriftstellerischen Arbeit in den 1970er Jahren beschäftigt haben. Welche Topoi decken Sie mit diesem Gedichtband nun ab?
Ich beschäftigte mich bereits in den 1970er Jahren, wie Sie sagten, aus biografischem Interesse mit dem Thema der Auswanderung und, als Gegenseite der Münze, mit der Einwanderung. Denn beide stellen jeweils einen eigenen Schritt dar, den es im Leben souverän zu meistern gilt. Die Liebe zur Heimat findet aus diesem Grund genauso Berücksichtigung wie die Achtung vor der deutschen Gesellschaft, in der ich mich nun seit mehr als 50 Jahren bewege.
Liebe, Natur und das zwischenmenschliche Miteinander finden als lyrische Topoi auch Berücksichtigung?
Natürlich, mit einer Reihe an Gedichten spreche ich das Thema Liebe an, Liebe zu meiner an Covid verstorbenen Mutter als autobiografische Reflektion genauso wie Liebe zum weiblichen Wesen im Allgemeinen. Sich in fremden Kulturen zurechtzufinden, hat auch Implikationen für das Miteinander zwischen Mann und Frau, aber auch zwischen Arbeitskollegen, Nachbarn und, auch das thematisiere ich, für das Miteinander von Natur und Mensch.
Mit „Europa, das einst war“ und „Blutbad in Hanau“ haben Sie zwei Gedichte geschaffen, mit denen Sie im Jahr 2020 auf sehr aktuelle Weise Mahnung an die Politik und an den Bürger zugleich aussprechen.
Genau, meine lyrischen Kompositionen sind Reflektion und Mahnung zugleich. Die Küsschen, die sich Politiker in Brüssel rechts und links abliefern, werden zum Sinnbild der Vergeblichkeit, mit der heute oft Politik betrieben wird. Zugleich spreche ich die Mahnung an den allzeit kritischen und verdrossenen Bürger an, mit der Hoffnung, dass der Mensch, statt einen negativen Weg einzuschlagen, Verantwortung für sich, seine Mitmenschen und die Umwelt ergreift.
Wie äußert sich dieser Apell beispielsweise in Ihren Gedichten zur Umweltkrise?
Ich hatte im Jahr 2020 während meiner Schaffenspause, die ich zwischen den beiden Lockdowns in Italien verbrachte, das große Vorrecht, mit einem ortskundigen Wanderführer den Monte Corona an der italienisch-österreichischen Grenze zu bewandern. Der Name des Berges war selbstverständlich Inspiration für mein Gedicht „2020 über Normalnull“, ich behandle darin den Glanz der Natur, die sich an einem derart abgelegen Ort dem schlechten Einfluss des Menschen zu entziehen versucht.
Was ist die Lösung für die Umweltproblematik nach Ihrer Sicht?
Der Mensch muss solidarisch handeln, solidarisch in politischen Bündnissen wie der EU, solidarisch in Gemeinwesen aber auch solidarisch im Umgang mit sich selbst.
Was meinen Sie damit?
In meinem Gedicht „Der katzenartige Mensch“ gebe ich die Antwort darauf.
Vielen Dank, Gino, für das Interview. Sie haben uns als Leser neugierig gemacht. Sicherlich wird jeder Leser in Ihren Gedichten reichliche Anknüpfungspunkte zum Nachdenken finden.
Das Interview führte der Verleger, Christian Leeck.
Monheim, im September 2022