Erweisen wir unseren Mitmenschen gegenüber Respekt und Wertschätzung? Sind der Charakter eines Menschen und die Solidarität untereinander weniger wert als die Höhe des Bankguthabens eines Einzelnen? Woran glauben wir? Welche Folgen kann das Schweigen in einer konformistischen Gesellschaft auslösen?
Viele ernsthafte Fragen, denen der Berliner Autor Rainer Grebe auf humorvolle Weise nachgeht. Kürzlich erschienen, sein Buch "Berliner Spiegelblicke", das sich bestens als Schullektüre für die Sekundarstufe eignet.
Autoreninterview mit Rainer Grebe
In Ihrem neuen Buch „Berliner Spiegelblicke“ thematisieren Sie wichtige Lebensfragen aus Sicht eines Berliners. Woher rühren Ihre Anekdoten und Erzählungen?
Wer wie ich während des Zweiten Weltkriegs geboren wurde, seine Jugend in der DDR und viele Jahre seines Lebens während des „Kalten Krieges“ in einer geteilten Stadt wie Berlin verbracht hat, der muss – ich denke es bleibt keine andere Möglichkeit – ein paar Traumata bewältigen. Mit meinen autobiografischen Kurzgeschichten habe ich einen Weg gefunden. Die Fragen, wie achtsam wir miteinander umgehen, und all die anderen, die unser alltägliches Leben bestimmen, stellen sich dann ganz schnell wie von selbst.
Fühlten Sie sich während der Zeit der Deutschen Teilung selbst als Ost- oder als Westberliner?
Ich habe mich, das galt auch schon für die Zeit vor dem Mauerfall, immer als Gesamt-Berliner gefühlt. Es geht mir darum, den Blick zu weiten, vorgefassten Meinungen argumentativ zu begegnen und gegen Klischees über der DDR aber auch gegenüber der alten BRD anzukämpfen. Dazu konzipierte ich den aktuellen Anekdoten-Band als kurzweilige und lehrreiche Schullektüre.
Sie haben sich in der Vergangenheit auch als Krimiautor betätigt. Spielt Berlin in Ihren Krimis auch eine Rolle?
In meinen drei bisher erschienen Kriminalromanen bilden das alte Westberlin und die deutsche Geschichte in den 1960-ziger Jahren den lokalen und historischen Rahmen. Ohne anmaßend klingen zu wollen, sehe ich mich in der Tradition von Autoren wie Horst Bosetzky und Volker Kutscher. Auch ihre Romane leben nicht von der Beschreibung blutrünstiger Gewaltorgien, sondern sie betten ihre Kriminalfälle in das Milieu ihrer Stadt Berlin und die Zeitgeschichte unseres Landes ein.
Was wünschen Sie sich für Berlin in der Zukunft – unter gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Aspekten?
Ich wünsche, dass die Menschen in unserem Land offen und vorurteilsfrei auf meine Stadt blicken. Es wäre für mich eine schöne Vorstellung, wenn irgendwann auch meine Landsleute sich mit jenem Stolz wie ganz selbstverständlich zu ihrer Hauptstadt bekennen – so wie wir es bei den Franzosen, Engländern und vielen anderen Nationen täglich erleben. In den Augen vieler ist Berlin noch immer das Synonym für die Ideologie des Dritten Reiches. Berlin ist lediglich der Ort in unserem Land, an dem die politischen Eliten unseres Volkes den Wählerauftrag umsetzen. Diese Stadt und seine Bürger sind keineswegs dafür verantwortlich, wie gut oder wie schlecht unseren Volksvertretern diese Aufgabe gelingt. Solange jedoch der Bürgermeister einer Kleinstadt, die kaum größer ist als ein mittlerer Bezirk dieser Stadt, unter dem Beifall der halben Republik die eigene Hauptstadt öffentlich in die Tonne treten darf, läuft hier irgendetwas grundlegend schief.
Das Interview führte Christian Leeck.
Wuppertal, im März 2024.
Berliner Schauplätze und Ereignisse
Es werden unter anderem folgende Schauplätze und Ereignisse erwähnt: Köpenick, Potsdam, Seelenbinderstraße, Bellevue-Park, Schöneiche, Pankow, Zeiler Weg, Wilhelm-Pieck-Schule, Rosa-Luxemburg-Gymnasium, Reinickendorf, Gymnasium Bertha-von-Suttner, Charlottenburg, Deutsche Oper in der Bismarck-Straße, Waldbühne, Olympiastadion, Zehlendorf, Glienicker Brücke, Berlin-Mitte, Gendarmenmarkt, Friedrichstraße, Schiffbauerdamm, Schumannstraße, Kreuzberg, Möckernstraße, Stresemannstraße, Tempelhof, Flughafen, Tempelhof-die alte Frachthalle, Kindheit DDR, Bombenangriffe, 2. Weltkrieg, Evakuierung, Berkholz, Schulzeit, 17. Juni, 1953, Bau der Mauer, 13. August 1961, tödliche Schüsse, Berliner Mauer, Fall der Mauer, 9. November, 1989, Konzerte, Rolling Stones, Waldbühne, 1965, 1998, Berliner Olympiastadion.