Dem Autor Alessandro Bellardita gelingt mit diesem Kriminalroman ein spannender und kreativer Einblick in die Machenschaften der organisierten Kriminalität. Die Handlung, eingebettet im Heidelberg der 2010er Jahre, greift die Mafiaermittlungen der 1990er Jahre auf und liefert einen überzeugenden Rückblick wichtiger Momente dieser langjährigen Ermittlungsgeschichte.
Im Gespräch mit dem Verleger erläuterte Bellardita die Hintergründe zur Entstehung seines Kriminalromans.
Interview mit dem Autor, im Februar 2024:
Mit Ihrem neuen Roman „Die sizilianische Akte“ setzen Sie eine Krimireihe fort, die sich um die Ermittlungsarbeit des Heidelberger Staatsanwalts De Benedetti dreht. Was zeichnet diesen Ermittler als Hauptfigur einer Romanreihe aus?
De Benedetti ist kein typischer Ermittler, ein Kripobeamter oder Detektiv. De Benedetti ist Staatsanwalt, und dadurch erhält der Leser einen ganz besonderen Einblick in die Welt der Ermittlungen. De Benedetti ist aber auch ein ganz normaler Kerl mit vielen Macken. Als alleinerziehender Vater einer pubertierenden Tochter, die mitten in ihrer Orientierungslosigkeit ihrem Vater Halt gibt, ist er regelrecht überfordert. Außerdem hat er große Bindungsängste, er weiß nicht, ob er mit seiner Freundin, die viel jünger ist, zusammenziehen soll. Und zuletzt: Er hat eine italienische Mamma, die dafür sorgt, dass am Sonntag das Beste vom Besten auf den Tisch kommt.
Welche Inspirationen haben Sie aus der italienischen Geschichte gezogen, wenn es um Ermittlungsarbeit gegen die organisierte Kriminalität geht?
Als die Ermittlungsrichter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino im Jahre 1992 ermordet wurden, war ich 11 Jahre alt. Mein Onkel war damals als Polizeibeamter in Palermo tätig und drei Jahre lang Mitarbeiter von Falcone. Seine Geschichten, seine Erzählungen im Sommer 1992, haben mich geprägt. Seitdem beschäftige ich mich sehr intensiv mit der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, insbesondere der italienischen Mafia, sowohl aus historischer Sicht als auch aus der Perspektive eines Ermittlers. Denn zwischen 2015 und 2017 war ich selbst als Staatsanwalt in der Abteilung zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität tätig.
Giovanni Falcone hat eine neue Ermittlungsmethode geprägt, auch bekannt als „Falcone-Methode“. Dabei geht es um Finanz- und Strukturermittlungen, Szenerecherchen und langfristige Observierungen von Mafiosi. Diese Methode hat zum größten Anti-Mafia-Prozess in der italienischen Geschichte geführt: den Maxi-Prozess in Palermo mit über 400 Angeklagten. Das ist eine große Quelle der Inspiration.
Haben Sie in Ihrer Arbeit im Justizdienst auch Berührungen zur italienischen Mafia?
Leider ja, als Staatsanwalt und als Haft- und Ermittlungsrichter. Die Mafia in Deutschland ist sehr aktiv. Deutschland ist für die italienische Mafia kein Rückzugsort, sondern vielmehr ein Aktionsort. Und das ist eine bittere Realität.
Wie hoch schätzen Sie die Dunkelziffer an Mafiaaktivität in Deutschland?
Das Bundeskriminalamt geht derzeit von etwa 1000 Mafiamitglieder aus, die hierzulande leben. Italienische Experten gehen von einer mindestens 5-fachen Anzahl aus. Ich bin der Meinung, dass allein die kalabrische ‘Ndrangheta mindestens 3000 Mitglieder hier in Deutschland hat.
Soll Ihr Roman, ergänzend zum Unterhaltungsfaktor, auch ein Appell an den Leser sein?
Definitiv. Ich würde sagen: ein Weckruf! Die italienische Mafia hat über 80 Prozent des weltweiten Kokainhandels unter Kontrolle. Den wirtschaftlichen Schaden, den sie hier anrichtet ist immens – und nicht nur durch Geldwäsche. Wir haben zu lange passiv hingeschaut.
Richtet sich Ihr Buch auch an Ihre Kollegen im Justizdienst?
Nur zum Teil. Meine KollegInnen kennen die Problematik, jedenfalls die meisten von ihnen. Profitieren können sie aus der Lektüre aber trotzdem, vor allem wegen der historischen Hintergründe. Meine Zielgruppe ist aber eher die breite Öffentlichkeit.
Wie haltbar erweist sich die Vermutung des Staatsanwalts De Benedettis, dass die Mafia im Verborgenen mit dem islamischen Terrorismus kooperiert?
Das ist eine der spannendsten Fragen überhaupt. Es gibt konkrete Anhaltspunkte hierfür, insbesondere in Bezug auf Waffenlieferungen von der Mafia an IS-Mitglieder. Und dann noch ein Punkt: Ist es Zufall, dass es in Italien bisher kein einziges islamistisches Attentat gab?
Das Interview führte Christian Leeck.
Wuppertal, im Februar 2024.